Ans Licht gebracht. Vom Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen kommt der erste Hinweis:
Georg Viktor Kunz wird 1885 in Marseille geboren, Beruf: Journalist und Rolladenmonteur.
Die Spur führt von Marseille nach Heidelberg:
Viktors Vater ist Georg Baron von Oertzen, damals Generalkonsul des Deutschen Reiches in Frankreich. Seine Mutter ist offenbar eine deutsche Prinzessin. Viktor, ein außereheliches und nicht erwünschtes Kind, wird von einer Haushälterin des Barons, Hermine Kunz, großgezogen. Als der Junge drei Jahre alt ist, siedelt sie mit ihm nach Heidelberg um. Es gibt Hinweise, dass sich Viktor schon als Jugendlicher politisch engagiert, als Delegierter der Sozialistischen Arbeiter-Jugend und als Gewerkschaftsführer. 1910 heiratete er als 25-jähriger in Heidelberg meine Urgroßmutter Alma Lina Anna.
Anhaltspunkte führen nach Berlin, Ludwigshafen, Speyer und Frankreich:
Zwangsrekrutiert im Ersten Weltkrieg, agitiert Kunz gegen die Machthabenden, bricht in Waffendepots ein und verschiebt die Waffen an streikende Arbeiter. Er wird vor ein Kriegsgericht gestellt und aus Mangel an beweisen freigesprochen.
Viktor Kunz geht 1922 in die Pflalz – nach dem Ersten Weltkrieg französisch besetzt. In Ludwigshafen schart der charismatische Redner Tausende von Erwerbslosen um sich und mobilisiert sie. Sie besetzen Behörden. Viktor wird kurzzeitig zum kommissarischen Bürgermeister ernannt. Er requiriert Lebensmittel für die Not leidende Bevölkerung. Gemeinsam mit Separatisten installiert er 1923 die Autonome Pfalz – geduldet von den französischen Besatzern – und fungiert als Arbeits- und Polizeiminister.
Nach der Zerschlagung der Autonomen Pfalz, gründet er die Rheinische Arbeiterpartei. Nur knapp entgeht er einem Attentatsversuch durch ein Mordkommando aufstrebender Nationalsozialisten. Viktor Kunz setzt sich ins Elsass ab.
In Frankreich verlieren sich seine Spuren. Da in Marseille geboren, gilt Viktor Kunz als französischer Staatsbürger. Die französischen Besatzungsbehörden requirieren seine Akten nach der Befreiung.
Fest steht, Viktor wird ab 1933 von der Gestapo gesucht und kämpft von Frankreich aus gegen die Nazis – während der deutschen Besatzung gemeinsam mit der Resistance. Er organisiert Widerstandsgruppen und Sabotageakte gegen Einrichtungen der Besatzer. Im Herbst 1942 plant er einen Sprengstoffanschlag auf ein Dienstgebäude der Gestapo in Mülhausen. Der Plan fliegt auf. Viktor geht der Gestapo ins Netz.
Ans Licht gebracht. Georg Viktor Kunz wird von Roland Freisler, Präsident des Volksgerichtshofes, in einem Schauprozess wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt und „für immer ehrlos“ erklärt. Die Begründung des obersten Nazi-Richters:
„Viktor Kunz hat ein geradezu einmaliges volksverräterisches Verbrecherleben hinter sich…“
1943 wird mein Urgroßvater in Stuttgart mit der Guillotine enthauptet.
In den „Leichenbüchern“ des Universitätsarchivs der Uni Tübingen taucht Viktors Name auf:
Sein Leichnam wird nach der Exekution in das Anatomische Institut der Uni Tübingen geschafft. Dort wird sein Körper als Präparat für Studenten missbraucht – wie die Körper weiterer 577 Exekutierter.
Schade, dass Georg Viktor Kunz so vergessen ist. Den Nazi Richter Filbinger und Freissler kennt dahingegen jeder.
Wir wurden und werden die Nazipest nicht los.
Danke für den bericht