Meine Generation, die der zwischen 1960 und 1975 Geborenen, erlebte ihr Elternhaus nicht selten als belastet mit Spannungen und Unsicherheiten, ungeklärten Ängsten und der Sehnsucht nach Stabilität. Leistung und Wohlstand standen anstelle von persönlicher Entfaltung. Es war zwar alles „da“, aber die eigenen Eltern schienen oft seltsam abwesend, nicht greifbar. Trotz der Unmöglichkeit, die Eltern zu erreichen, war der Wunsch da, sie zu verteidigen, es ihnen recht zu machen, damit es ihnen gut geht. Viele von uns hatten das Gefühl, schon früh für das Glück ihrer Eltern verantwortlich zu sein, sich um sie kümmern zu müssen, ohne zu wissen, warum. Vertauschte Rollen – und uns gegenüber stehen Eltern, die die Vergangenheit abschließen wollen, die kein Interesse daran haben, ihre eigenen Gefühle zum Thema zu machen: „Das ist vorbei. Irgendwann muss Schluss sein mit den alten Geschichten.“
Das Problematische sind nicht die Erlebnisse an sich, nicht die Schwere der Kriegsvergangenheit, sondern das Schweigen darüber. Ein Schnitt, ein dunkles Loch ist für die Nachkommenden spürbar, wenn es um die eigene Vergangenheit und Tradition geht: Meine Generation fühlt sich entwurzelt, auch wenn sie den eigenen Wurzeln oft gar keinen Wert beimessen. Sie erleben Trauer und Angst, die sie mit sich selbst nicht wirklich in Verbindung bringen können. Sie tragen damit einen Teil der Last, die eigentlich den Eltern gehört – die aber nie ans Licht gekommen ist.
Seit Jahrzehnten spüre ich, dass die Nazizeit auf ungreifbare Weise nicht Vergangenheit für mich ist. Erst in den letzten Jahren wird mir bewusst, wie groß die “Kriegslast” ist, die meine Generation mit sich herum schleppt.
In unserer progressiven Schule wurde wir in den 1970iger Jahren immer und immer wieder mit Geschichten und Bildern des Nazi-Regimes konfrontiert. Nur hatte das mit meiner Familienrealität wenig zu tun. Ideologische Ansätze., voller Anklage, nicht dazu angetan, einen behutsamen Dialog in den Familien über diese Zeit anzuregen. Diese Geschichten und Bilder waren gleichzeitig viel zu nah und zu fern.
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