Meine Oma hat mir Folgendes erzählt:
Eines Tages kamen Männer von der Gestapo, um die Wohnung zu durchsuchen. Meine Oma war zunächst allein zuhause. Während der Durchsuchung kam mein Opa von der Arbeit nach Hause. Er setzte sich still hin. Seine Hände zitterten.
Gestapo: „Aha, der Mann zittert! Er hat wohl was zu verbergen.“
Oma: „Der kommt von der Arbeit. Er hat sich angestrengt, er ist müd. Deshalb zittern seine Händ’.“
Die Gestapoleute fanden eine rote Fahne in der Wohnung.
Gestapo: „Beschlagnahmt. Die nehmen wir mit.“
Oma: „Die können’S ruhig mitnehmen. Die brauchen wir jetzt sowieso nimmer.“
Die Gestapoleute fanden nichts weiter in der Wohnung und sagten im Weggehen zu meinem Opa:
Gestapo: „Diesmal nehmen wir Sie nicht mit, aber das haben Sie nur Ihrer Frau zu verdanken.“
Später haben sie ihn doch geholt.
Mein Opa hieß Hans Hörner, geboren am 5. März 1900 in Kitzingen. Als Gewerkschaftler leistete er Widerstand gegen den Anschluss an die Einheitsgewerkschaft der Nazis.
Nach dem Krieg wurde er rehabilitiert und wurde Mitglied des Bayerischen Senats.
Mein Opa starb am 22. Dezember 1960 in München an den gesundheitlichen Spätfolgen der NS-Haft.
Damals war ich fünf Jahre alt, ich erinnere mich noch an ihn.
Ich dachte immer, das Nachforschen in diesem Bereich täte weh und vermied es bisher auch weitgehend. Jetzt bin ich aber fasziniert und auch glücklich, Menschen gekannt zu haben, die damals so mutig waren. Menschen zu sehen mit Mut und Eigeninitiative macht mich froh. Wie zum Beispiel das Ehepaar, das “seinen Anteil” an Rückzahlungen an Griechenland leistet
Oder wie Carmen Eckhardt, die mit ihrem Projekt so viel anstößt.
Beim Schreiben fällt mir auf, dass mein Beitrag zu einem Denkmal für meinen Opa geworden ist. Das ist auch in Ordnung. Aber die eigentliche Heldin der kleinen Geschichte ist meine Oma, Stefanie Zweil, damals Stefanie Hörner. Sie ist 1903 in Seeshaupt geboren, verbrachte ihr Leben in München und ist 1999 gestorben.